Schon als Kind war ich fasziniert von den facet­ten­reichen Trachten aus östlichen Ländern. Ich besitze selber einige Erbstücke, die mein Großvater von Reisen mitge­bracht hat, oder handbe­stickte Kleider und Blusen meiner Urgroß­mutter. Irgendetwas daran hat mich schon früh gepackt und tut es bis heute. 

Je mehr ich mich mit der Folklore ausein­an­dersetze, desto besser verstehe ich, woher meine Faszi­nation dafür kommt. Jede Tracht verrät nicht nur die regionale Herkunft sondern auch die Geschichte über einen Ort und deren Menschen. Bräuche und Tradi­tionen von Festlich­keiten wurden schon immer durch das Tragen der passenden Tracht zum Ausdruck gebracht. Auch in Deutschland gibt es Jahrhunderte alte Trachten. Durch meine Arbeit als Designerin möchte ich dazu beitragen, die Folklore als Teil des kultu­rellen Erbes zu bewahren und zu verstehen.

Auch wenn es nur feine Nuancen sind, die in manche meiner Designs mit einfließen, so ist es vielmehr ein Wunsch von mir eine Verbindung zwischen Vergan­genheit und Gegenwart herzu­stellen und das Bewusstsein für die Nachhal­tigkeit und den Wert von Handwerkskunst zu fördern.

Insgesamt sind Trachten oft ähnlich aufgebaut, es sind die meist die Details einer Tracht die verschiedene Bedeu­tungen haben, je nach Region und Kultur. Zum Beispiel kann die Farbe und das Muster der Borte die Zugehö­rigkeit zu einer bestimmten Gemein­schaft oder Familie symbo­li­sieren. Die Stickerei kann Symbole oder Bilder enthalten, die wichtige Ereignisse oder Geschichten darstellen. Die Länge des Rocks oder der Schürze gab Auskunft darüber, ob die Trägerin ledig oder verheiratet war. Und nicht zu guter Letzt war die Wahl der Details auch eine persönliche Präferenz oder durch regionale Trends beinflusst.

Auch Emotionen wurden durch die Farb– und Stoffwahl einer Tracht ausge­drückt. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Verwendung eines Tuchs, das von beiden Seiten bestickt werden kann, wobei jede Seite eine andere Farbe oder ein anderes Muster aufweist.

Je nach Anlass kann die Trägerin oder der Träger das Tuch auf eine bestimmte Weise tragen, um ihre Emotionen auszu­drücken. Zum Beispiel kann das bunte Muster auf der einen Seite des Tuchs bei einer Hochzeit oder einem Geburtstag getragen werden, um Freude und Feier­lichkeit auszu­drücken. Die schwarz-​​weiße Stickerei auf der anderen Seite des Tuchs kann dagegen bei einer Beerdigung getragen werden, um Trauer und Respekt zu zeigen.

Ich denke, dass wir alle irgendwie eine Art von Tracht tragen, um unsere Zugehö­rigkeit, Herkunft, Vorlieben und Persön­lichkeit auszu­drücken. Aber was die klassische Tracht so besonders macht, ist das Erbe und die Geschichte, die sie in sich trägt. Es ist ein Stück Kultur und Identität, das ich gerne bewahren und verstehen möchte – auch für kommende Genera­tionen.

Es ist erstaunlich, wie meine kindliche Begeis­terung für Folklore bis heute anhält und mein Leben sowie meine Arbeit als Designerin auf nachhaltige Weise beein­flusst hat.